Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen

Poster
Originaltitel:
No il caso è felicemente risolto
Jahr:
1973
Eingetragen:
29.10.2022
TMDB-Wertung:
5,4/10


Hannes schreibt:

Der italienische Polizeifilm gilt gemeinhin als politisch und gesellschaftlich reaktionär. In diesem äußerlichen stilistischen Gewand schmuggelt Regisseur Vittorio Salerno seiner Zuschauerschaft hiermit jedoch einen Film unter, der vielmehr die ansonsten im Italo-Western verhandelten sozialen Themen auf eine Spitze treibt: den Missbrauch gesellschaftlicher Stellung und Autorität, die Ränkespiele der Eliten und deren daraus resultierende praktische Narrenfreiheit, die auf den Rücken einfacher Leute ausgelebt wird.

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„Der war's!“

Gleich die Eingangsszene setzt Zeichen. Ein älterer Mann, wir erfahren später es handelt sich um einen gewissen „Professor“ Ranieri (Riccardo Cucciolla; nach deutschem Bildungssystem wohl eher eine Art Gymnasiallehrer) prügelt eine junge Frau (wahrscheinlich Prostituierte) mit einem Knüppel tot. Ja, die Frau ist praktisch nackt. Aber nichts davon lässt auch ansatzweise den „male gaze“ erahnen, der sonst zu der Zeit im südeuropäischen Kino so auf die Spitze getrieben wurde. Es ist brutal und schwer anzusehen. Ebenfalls sieht Fabio Santamaria (Enzo Cerusico) zu, der zufällig in der Nähe beim Angeln war. Dieser kann sich aber nicht durchringen, die Sache bei der Polizei zu melden. Dieses Zögern nutzt Ranieri, meldet sich selbst als Zeuge und schwärzt wiederum Santamaria als Mörder an. Nun befindet sich jener also unter Hochverdacht, auf der Flucht und was er auch versucht, es gibt keinen Ausweg mehr.

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Doch die wahren Täter sitzen woanders

Der falsche Mann bekommt also den wahren Täter als direkten Gegenspieler in die Handlung eingewoben. Neben intrinsisch spannenden, aber trotzdem nachvollziehbaren, da realistischen Szenen wie die Versuche der Verkleidung, der Flucht, der Verfolgung (Mini hinter Bus…) kommt es dadurch zu bedeutungsgeladenen direkten Konfrontationen zwischen den beiden. Ranieri genießt das Spiel mit der in seinem Spinnennetz gefangenen Fliege. So wie auch sein Mordopfer, das er aus reiner Lust an der Freude totgeschlagen hat, ist auch Santamaria als Mensch für ihn nicht existent. Jener wiederum lässt sich auf ein Treffen ein, da er dem Druck, mit niemandem reden zu können, nicht mehr standhält. Seine lieblose Ehe, die wohl nur noch Fassade für die Tochter ist, erlaubt derartige emotionale Unterstützung nicht mehr. Doch es kommt natürlich, wie es kommen muss: Nach kurzem Aufbrausen findet sich Santamaria zusammengesackt auf einem niedrigstehenden Sofa wieder, schlaff, während der souveräne Ranieri auch optisch über ihm thront. Und ihn weiter manipuliert, ihn nur immer weiter in seine unauswegliche Lage hineinreißt.

Als einziger zweifelt Journalist Pepi (Enrico Maria Salerno) an den Aussagen Ranieris, der ansonsten als anerkanntes Gesellschaftsmitglied bürgerlichen Standes Narrenfreiheit genießt. Doch, so wird auch schnell klar, auch ihm geht es nicht um Gerechtigkeit oder den Schutz der Schwächeren, sondern einzig und allein um die Schlagzeile, die wiederum seine Karriere nach oben schnellen lassen wird.

Zynisch, schonungslos, gut inszeniert – stark!

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