Welt am Draht

Poster
Originaltitel:
Welt am Draht
Jahr:
1973
Eingetragen:
20.06.2010
Bearbeitet:
08.01.2012
IMDB-Wertung:
7,8/10


Hannes schreibt:

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Stiller trifft: Kellner Rainer Langhans...
Welt am Draht, ein Fernsehzweiteiler von Rainer Werner Fassbinder hat bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Jahrzehntelang war umstritten, wer überhaupt die Verwertungsrechte an dem Film hat und deshalb war wohl selbst die Ausstrahlungsfrequenz im Fernsehen geringer als „zehnjährlich“. Mittlerweile scheint die Situation geklärt und man kann ihn nun auf DVD erstehen. Regelrecht peinlich, dass das so lange gedauert hat.

Die Handlung dreht sich um Simulacron, ein hochentwickeltes Computersystem, das eine ganze Welt simuliert. Dessen Hauptentwickler Vollmer (Adrian Hooven) verhält sich in letzter Zeit sehr seltsam (depressiv), blamiert seinen Chef Siskins (Karl-Heinz Vosgerau) vor einem Staatsrepräsentanten (Heinz Meier) und ist kurz darauf tot – anscheinend Selbstmord.

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...den unvermeidlichen Ulli Lommel...
Siskins Mitarbeiter, guter Freund und Nachfolger Fred Stiller (Klaus Löwitsch) kann sich damit nicht ganz abfinden. Als er seine Theorie mit dem Sicherheitschef der Firma, Günther Lause (Ivan Desny), der der letzte war, der Vollmer lebend gesehen hat, erörtern will, verschwindet dieser mehr oder weniger mitten im Satz, als sich Stiller kurz umdreht. Das Seltsamste: Niemand will sich an Lause überhaupt erinnern; alle um Stiller herum behaupten, ein gewisser Edelkern (Joachim Hansen) habe schon immer diese Position in der Firma innegehabt. Selbst Vollmers Tochter Eva (Mascha Rabben) kann streitet die Existenz ihres Onkels Lause ab.

Beruflich steht Stiller ebenfalls unter Druck: Industrielobbys möchten Zugriff auf die Simulationsdaten des Systems, um anhand dieser Prognosen ihre Produktion vorausschauend auszurichten. Stiller hält davon überhaupt nichts, da es sich um ein staatlich finanziertes Forschungsprojekt handelt, doch Siskins ist da anderer Meinung...

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...und, in der simulierten Welt, Gottfried John
Es ist schwierig zu beurteilen, welche Aspekte des Films, die einem gelungen erscheinen, tatsächlich in ihrer Wirkung so gedacht waren. Dass die Aufnahmen sehr irreal wirken, entspricht wohl durchaus der Intention des Regisseurs. Dass die Dialoge teilweise extrem gestelzt wirken und die Darsteller oft seltsame Posen einnehmen, vielleicht auch. Dass viele kleinere Rollen offensichtlich mit Laiendarstellern besetzt sind, die diesen Effekt noch verstärken, ist schon zweifelhafter, denn das machte Fassbinder ohnehin gerne. Und was ist damit, dass der gesamte Film nachsynchronisiert klingt? Auch absichtliches Stilmittel?

Klar ist jedoch, dass all jene Verfremdungseffekte in einem Film, in dem es um die Grenzen virtueller Realität und Wirklichkeit geht, wie die Faust aufs Auge passen. So entsteht ein sehr sehenswerter, intelligenter Film, der nicht bei platter Technikskepsis (zur Entstehungszeit gab es ja gerade eine solche Welle) stehen bleibt, sondern stattdessen auf die zeitlosen existenziellen Fragen eingeht.

Einzig nachteilig zu bemerken: In einigen Belangen versucht der Film, „futuristisch“ zu wirken. Was Anfang der 70er Jahre futuristisch war, wirkt heutzutage eben nicht mehr zeitlos, sondern kitschig. Hierzu zählt auch die Aufmachung der Darsteller, die doch sehr stark in der Zeit verwurzelt ist. Sollte wahrscheinlich ebenfalls „modern“ wirken. Sowas ist nicht gerade vorausschauend...

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