Iron Sky

Poster
Originaltitel:
Iron Sky
Jahr:
2012
Eingetragen:
29.04.2012
Bearbeitet:
14.05.2012
IMDB-Wertung:
5,9/10
TMDB-Wertung:
5,7/10


Hannes schreibt:

Ein berüchtigter finnischer Regisseur (Timo Vuorensola), ein Film, der immerhin zu einem geringen Teil durch Fanspenden finanziert wurde und Weltraum-Nazis – doch das fertige Produkt kann die hochgesteckten Erwartungen trotz allen Hypes nicht erfüllen, da es bei Weitem nicht so bizarr ist, wie erhofft.

Aufgrund der sich abzeichnenden Niederlage im zweiten Weltkrieg haben sich einige Nazis mit „Flugscheiben“ aus Neuschwabenland auf den Mond zurückgezogen. In den letzten 70 Jahren haben sie dort (unbemerkt von der Erde) eine florierende Kolonie errichtet. Aus Wahlkampfgründen schickt die US-Präsidentin (Stephanie Paul) ein Shuttle auf jene dunkle Seite des Mondes. Nazi-Führer Kortzfleisch (Udo Kier) fürchtet deshalb eine Invasion von der Erde und sieht damit die Zeit für einen Präventivschlag, d.h. die Machtübernahme auf der Erde, gekommen.

Vorbereitend sollen sein Vertrauter Klaus Adler (Götz Otto), dessen Verlobte Renate Richter (Julia Dietze) sowie der „arisierte“ schwarze (gefangengenommene) US-Astronaut James Washington (Christopher Kirby) jedoch schonmal vorausfliegen und die Lage peilen. Dabei verfolgt Adler ganz andere Ziele: Er will Kortzfleisch stürzen und selbst Führer werden. Zu diesem Zweck will er sich (temporär) mit der US-Präsidentin verbünden. Bei deren Imageberaterin (Peta Sergeant) kommen die Nazis mit ihren perfekt sitzenden Uniformen und ihren klaren Wertvorstellungen sogar gar nicht mal so schlecht an…

Das ganze ist recht unterhaltsam und weitestgehend partytauglich, jedoch auch sehr unentschlossen inszeniert. Grob sind gleich drei unterschiedliche „Filme im Film“ auszumachen.

Es beginnt als lustige Nazi-Farce: Die absurden, größenwahnsinnigen Vorstellungen der Mond-Nazis werden gelungen ihren tatsächlichen Möglichkeiten entgegengesetzt. Kortzfleisch träumt von der Eroberung der Welt und versucht sich entsprechend zu inszenieren, fährt aber tatsächlich aus Ressourcengründen in einem VW-Käfer durch sein winziges „Reich“. Der Wissenschaftler Dr. Richter (Tilo Prückner) bastelt an zahlreichen „Wunderwaffen“, aber ohne den Austausch mit anderen Kollegen ist sein Erkenntnisstand natürlich hoffnungslos gegenüber der rasanten technischen Entwicklung auf der Erde zurückgefallen (das Mobiltelefon Washingtons hat tausendmal mehr Rechenleistung als die Nazi-Großrechner).

Doch mit der Landung der Nazi-Vorhut auf der Erde versucht sich Iron Sky in tiefergründige Gewässer zu bewegen. Die Sarah Palin (kennt keiner mehr) nachempfundene Präsidentin und damit auch die US-Politik an sich mit gesellschaftlichen Werten der Nazis gleichzusetzen ist trotz aller sicherlich berechtigter Kritik an der Rolle der USA in der Welt doch immer noch sehr weit hergeholt und auch in dieser Schärfe völlig unseriös. Wie die beiden Mond-Nazis zu Medien- und Werbestars aufgebaut werden erinnert ein wenig an Flucht vom Planet der Affen, doch hier wie dort funktioniert dieser mediensatirische Aspekt besser auf dem Papier, als im fertigen Film.

Eine andere Ebene, mit der man sowohl die erste Richtung des Films hätte weiterführen, aber trotzdem treffend unsere eigene Welt auf die Schippe nehmen können, wird dagegen komplett ausgespart: Eine entscheidende Entwicklung seit Ende des zweiten Weltkriegs ist es, dass (zumindest in der sogenannten westlichen Welt) das Primat des Staates gefallen ist; es stehen nun Wirtschaftsinteressen im Vordergrund allen Denkens und Handelns. Dies klingt kurz gegen Ende des Films an, jedoch wieder nur auf der Ebene staatlicher Wirtschaftsinteressen. Wieso hat die US-Präsidentin beispielsweise kein rotes Telefon, mittels dessen sie direkt mit Wirtschaftsbossen Rücksprache hält, um so die Verschiebung der Machtverhältnisse in unserer Welt zu zeigen? Dies wäre für die anachronistischen Nazis wahrscheinlich ebensowenig verständlich gewesen, wie auch die historisch auf den Kopf gestellte Wertschtzung des Individuums, womit man wieder bei ihrer Unfähigkeit, unsere Welt mit dem, was sie selbst gelernt haben, zu verstehen, wären.

Schließlich wollte Vuorensola es sich wohl auch nicht nehmen lassen, auch noch einen Weltraum-Action-Film dranzuhängen. Als schließlich der Angriff der Nazis auf die Erde beginnt, kommt es zu spektakulären und tricktechnisch überraschend kompetent gemachten Luftschlachten über New York und im Weltraum.

Aber, damit das eben spektakulär und spannend ist, werden die Nazis mal eben umfunktioniert: Ganz so anachronistisch und nutzlos scheint ihre Technik nämlich gar nicht mal zu sein. Hätten nicht diverse Erdstaaten die entsprechenden Verträge missachtet und sehr wohl ebenfalls bewaffnete Raumschiffe bereits in der Erdumlaufbahn positioniert („Mir geht zum Angriff über!“), hätten die Weltraum-Zeppeline und die sie begleitenden Jäger die Erd-Zivilisation locker in Schutt und Asche gelegt. Und selbst jene illegalen, futurisch bewaffneten Erdraumschiffe erweisen sich schließlich als völlig ineffektiv gegen das Superraumschiff der Nazis: Die „Götterdämmerung“ widersteht selbst Atomraketen und ist selbst mit einer Waffe ausgestattet, die wahrscheinlich sogar ganze Planeten vollständig vernichten könnte (Todesstern v2). Sie kann nur durch einen Kommandoeinsatz von innen gestoppt werden.

Nachdem eingangs also noch Wert darauf gelegt wurde, die Technik der Mond-Nazis als möglichst anachronistisch darzustellen, was designtechnisch auch im Steampunk-Sinne (kurz gefasst: sehr viel Mechanik, wenig Elektronik) sehr gelungen umgesetzt war, sind die Naziraumschiffe nun plötzlich wendig, schnell und tödlich. Zu befürchten war das bereits bei der ersten Reise zur Erde: Das Nazishuttle bewegt sich sehr weich und hydraulisch anstatt unelegant-mechanisch, wie man erwartet hätte.

Die anfangs so lächerlichen Nazis dann doch zu einer mehr als ernstzunehmenden Gefahr zu machen ist ein Konstruktionsfehler des Drehbuchs, der nur schwer zu verzeihen ist. Plötzlich heißt es nämlich dann doch wieder „Nazis im Krieg gegen den Rest der Welt“: Nun ist Iron Sky kein Spiegel unserer modernen Gesellschaft mehr, sondern es wird zu einer Allegorie auf den zweiten Weltkrieg selbst, inklusive der Darstellung schrecklicher Zerstörung und Tod und Leiden ziviler Opfer, die beide Seiten kühl in Kauf nehmen. Wie passt das bitte mit den beiden vorigen Abschnitten, die klar komödiantisch angelegt waren, zusammen?

Insbesondere wird dies noch schwieriger zu verdauen, da in diesem letzten Drittel des Films wiederum zwei Erzählungsstränge laufen, die kaum in Einklang zu bringen sind. Erstens werden eben sehr ernsthafte Kriegsszenen gezeigt und explizit auf einigen damit verbundenen Schrecken eingegangen. Andererseits befinden sich gleichzeitig der wieder dearifizierte James Washington und die mittlerweile entnazifizierte Renate Richter in der „Götterdämmerung“, um dieses unbesiegbare Schiff von innen zu deaktivieren. Letztere Szenen lassen jedoch wieder den Anfang des Films anklingen: Wie beispielsweise auch in Lubitschs Sein oder Nichtsein lassen sich Naziwachposten dadurch „austricksen“, dass man schnell „Heil Hitler!“ schreit oder sie ablenkt, indem man Nazihymnen über die Lautsprecher erschallen lässt. Und das, nachdem direkt vor dem letzten Schnitt gerade einige völlig unbeteiligte Menschen („Zivilisten“) unter zusammenbrechenden Trümmern begraben wurden.

Das Ende verwirft die Eingangsthese der lächerlichen, größenwahnsinnigen, aber harmlosen Nazis dann völlig und greift endgültig auf die Vergangenheit zurück: Als die Erdstaaten nach dem militärischen Sieg über die Mondnazis entdecken, dass diese einen wertvollen Rohstoff abgebaut und massenhaft in Silos eingelagert haben, bekommen sich die vormaligen Verbündeten endgültig über die Verteilung jener Schätze in die Haare und – in einem zweiten Zitat Dr. Seltsams – vernichten sich gegenseitig. Das ist jedoch nun endgültig rein die Welt nach dem zweiten Weltkrieg: Die Aufteilung der Welt durch die Siegermächte und der Kalte Krieg, der jederzeit „heiß“ zu werden drohte.

Also… man könnte sagen: Zu viele Köche verderben den Brei. Sehens- und überlegenswert ist Iron Sky dabei durchaus. Der erste Abschnitt ist einfach lustig und so hätte es auch ruhig weitergehen können. Das zweite Drittel zieht sich etwas (siehe „Idee vs. Umsetzung“). Der letzte Teil hinterlässt dann sogar einen etwas schlechten Nachgeschmack; nicht nur, weil die Handlungsstränge nicht sonderlich sinnvoll zum Abschluss gebracht werden (das sei einer Farce verziehen), sondern weil einfach ungeschickt sehr unterschiedliche Aussagen, Stilmittel und wohl auch Ziele durcheinandergewürfelt werden. Hätte man es einfach beim Thema der größtenwahnsinnigen, aber völlig inkompetenten und dadurch harmlosen Nazis vom Mond belassen, wäre das alles kein Problem. Einen solchen Stil- und Stimmungsmischmasch kann dagegen nur ein Meisterregisseur auf Basis eines hervorragendes Drehbuchs eines genialen Autoren zum Funktionieren bringen. Und so scheitert ein prinzipiell unterhaltsamer Film letztlich am eigenen überzogenen Anspruch.

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