Excalibur

Poster
Originaltitel:
Excalibur
Jahr:
1981
Eingetragen:
26.06.2012
IMDB-Wertung:
7,4/10
TMDB-Wertung:
7/10


Hannes schreibt:

In den 70er Jahren hatte Regisseur John Boorman erfolglos versucht, Tolkiens Herr der Ringe zu verfilmen. Die drei dicken Wälzer sollten in einen hundertminütigen Film gepresst werden. Ein Finanzier fand sich schließlich später für Excalibur, ein umfangstechnisch ähnlich ambitioniertes Projekt. Wobei es bezüglich der Vorlage einen entscheidenden Vorteil gab: Für die Legende König Artus' gibt es nicht die eine kanonische Quelle, bezüglich derer jede winzige Abweichung von den Fans kleinkariert kritisiert würde.

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Grob orientiert sich Boorman an dem Thomas Malorys Roman Die Geschichte von König Artus und den Rittern der Tafelrunde. Entsprechend epischen Umfang hat auch Excalibur: Von den Versuchen König Uthers (Gabriel Byrne) mit dem Druiden Merlin (Nicol Williamson) das Land zu einen, über Artus' (Nigel Terry) Aufstieg und dem Niedergang der Tafelrunde bis zu Artus' Tod und dem Verlust des magischen (oder zumindest symbolisch wichtigen) Schwerts Excalibur. Der Umfang des Films ist mit gut zwei Stunden relativ lang (man muss bedenken, dass dies erst 20 Jahre später zur Regel wurde), aber immer noch sehr viel Stoff für eine solche Laufzeit.

Dies führt zu einigen Zeitsprüngen in der Erzählung, um direkt zur nächsten entscheidenden Episode zu springen: Nach der Täuschung der verheirateten Lady Igrayne (Katrine Boorman), die zu Artus' Geburt, aber auch zum Scheitern von Merlins und Uthers Plan führt, geht es direkt damit weiter, dass Artus als junger Mann Excalibur aus einem Stein zieht, dadurch der Legende nach Anspruch auf den Thron hätte und – als Nichtangehöriger des Ritterstandes – erstmal einen kleinen Bürgerkrieg auslöst. Anders als sein Vater Uther zeigt sich Artus jedoch als geschickter Verhandler und Menschenkenner, so dass er tatsächlich zum unbestrittenen König Britanniens wird.

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Alles sieht gut aus, Artus gründet seine „Tafelrunde“ und die besten Ritter des Landes kommen in seiner Burg Camelot zusammen. Darunter auch Lancelot (Nicholas Clay), der als unbesiegbarer und ehrenvoller Kämpfer gilt. Mit seiner Person beginnt jedoch auch der Niedergang der Tafelrunde: Er und Artus' Ehefrau Guinevere (Cherie Lunghi) sind unsterblich ineinander verliebt. Lancelot will dem aus Loyalität zu seinem Freund Artus nicht nachgeben und hält sich deshalb von Camelot fern. Doch es entstehen Gerüchte, schließlich können die beiden doch nicht voneinander lassen, Excalibur geht verloren und Artus fällt in eine Verzweiflung, die mit dem Verfall des Landes einher geht.

Seine Halbschwester Morgana (Barbara Byrne), die von Merlin einiges gelernt hat, will derweil Rache für den Betrug an ihren Eltern. Sie schaltet Merlin aus, benutzt die gleiche Magie, die er seinerzeit für Uthers Nacht mit Artus' und Morganas Mutter eingesetzt hat, um einen Sohn mit Artus zu zeugen. Der heranwachsende Mordred (Charley Boorman) und die scheinbar ewig jungbleibende Morgana ziehen immer mehr Ritter, die Artus auf die Suche nach dem heiligen Gral geschickt hat, auf ihre Seite oder ermorden sie hinterhältig.

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Parzival (Paul Geoffrey) kann ihnen mit viel Glück entgehen, und entdeckt schließlich in seiner zweiten Nahtoderfahrung tatsächlich den Gral. Artus rafft sich ein letztes Mal auf, sammelt seine verbliebenen Anhänger und zieht in die letzte epische Entscheidungsschlacht mit den Anhängern des mittlerweile erwachsenen Mordred (Robert Addie), die damit endet, dass beide Thronanwärter inklusive ihrer Armeen komplett vernichtet werden.

Viele der erzählerischen Bruchstellen muss man sich als Zuschauer jedoch leider selbst zusammenreimen. Ein Gefühl für die vergehende Zeit bekommt man nur sehr eingeschränkt vermittelt; die Ritter in ihren Rüstungen (wie üblich Ausstattungen des Spätmittelalters in einer Geschichte, die sich selbst explizit im Frühmittelalter ansiedelt) sind häufig eh nicht auseinanderzuhalten und wenn man mal eines der bärtigen Gesichter sieht, dann scheinen die meisten Figuren sehr lange alterslos zu bleiben. Immerhin Hauptfigur Artus wird immer wieder umgestylt, doch dient das weniger der fortschreitenden Zeit, als als Spiegel der Entwicklung des Landes.

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Denn letzteres wird als Interpretation auch der Gralslegende schließlich zu vermitteln versucht: König und Land seien eins. Als Artus an der Impotenz seiner Stellung als König, der die Ehre seiner eigenen Frau aufgrund seiner Pflicht zur Neutralität nicht verteidigen kann, verzweifelt, geht es auch mit dem Land bergab. Als er wieder Hoffnung gewinnt und seinen Frieden mit seiner zur Nonne gewordenen Frau (und noch mehr mit sich selbst) schließt, zeigen sich auch wieder erste Sonnenstrahlen.

Ähnliche deutungstechnische Parallelen ergeben sich auch auf mehreren anderen Ebenen. Parzival muss sich, um nachher zu überleben und um den Gral zu finden seiner schweren Rüstung entledigen. Übertragene Bedeutung: Das Zeitalter der Ritter in ihren glänzenden Rüstungen geht zu Ende – was sich dann in der blutigen letzten Schlacht bestätigt (ahistorischer geht es natürlich nicht, aber nicht so wichtig). Ebenso zieht sich Merlin zwischenzeitlich aus dem höfischen Leben zurück, denn auch das Zeitalter seiner Religion und Philosophie neigt sich dem Ende zu. Seine Macht (von der explizit nur wenig zu sehen ist, die aber implizit diverse entscheidende Weichen stellt) wird darüber hinaus zweimal von den Königen eingefordert (und damit missbraucht) und beide Male hat dies mittel- und langfristig negative Auswirkungen: Auf Uthers Begehren für Igrayne und Artus' Bitte, das Leben des im Duell verwundeten Lancelot zu retten folgt jeweils ein tiefer Fall; im Fall Uthers sein baldiger Tod und das neuerliche Auseinanderbrechen des Landes, im Fall Artus' und Lancelots das Ende der Tafelrunde, denn Artus' „koste es, was es wolle“ wird vom Schicksal (oder was auch immer) so interpretiert, dass er seine Frau endgültig verliert.

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Es geht also letztlich um menschliche Schwächen, Hochmut und einen tragischen Fall. Was alles prinzipiell interessante Themen sind. Jedoch können die pseudophilosophischen Aussagen keinesfalls mit der pompösen Inszenierung mithalten: Zu simpel die tatsächlichen Erkenntnisse, manchmal auch zu plump die bildliche Symbolik (Lancelot beim „Ringen mit sich selbst“). Und man kann es nicht oft genug betonen: Es wird einfach zu viel Vorwissen über die grundlegenden Mythen und den groben Plot vorausgesetzt. Was dann die Eindrücke nochmals abschwächt: Die „Blüte“ des Landes bleibt implizit, da man sie niemals wirklich gezeigt bekommt. Dadurch verlieren dann auch die gelungeren Bilder der verotteten Landschaft und den leidenden Menschen im späteren Verlauf an Wirkung, da sie eben nicht im Kontrast zu einem früheren Zustand stehen.

Überhaupt verliert sich Boorman insbesondere im letzten Drittel sehr in der (ihm wahrscheinlich primär wichtigen) symbolischen Ebene. Schön-schaurige Optik gibt es gerade hier ausreichend, aber von den Aktivitäten Mordreds und Morganas erfährt man eigentlich nichts. Zahlreiche Momente fieser Intrigen oder auch epischen Schlachtengetümmels werden da verschenkt; stattdessen soll sich alles in der epischen finalen Schlacht entladen. Doch auch die wäre emotional wirkungsvoller, wenn die Kontrahenten (bis auf Artus, Mordred, Parzival und den überraschend dazustoßenden Lancelot) nicht dermaßen gesichtslos blieben. Was ist denn aus den übrigen Rittern der Tafelrunde geworden? Einige sind bereits tot, in Ordnung, aber sind vielleicht welche „zum Feind übergelaufen“? Wer sind die verbliebenen Ritter, die Artus treu geblieben sind? Wüsste man das, würde ihr Schicksal vielleicht auch interessieren oder sogar berühren, wenn sie blutigst niedergemetzelt werden.

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Generell kann man sagen: Das riesige Ausmaß, zeitlich wie auch in den Auswirkungen auf das Land und seine Bewohner, das Boorman sich vornimmt, wird nicht ausreichend mit repräsentativen Charakteren unterfüttert. Viele Personen kommen und gehen, fast niemand davon wird jedoch wichtig genug, sich überhaupt im Gedächtnis der Zuschauer festzusetzen. Dieser Regisseur entwickelt einfach kein ausreichendes Interesse an seinen Figuren, sondern schwelgt stattdessen in schönen Bildern, die leider letztlich meist bedeutungslos sind.

Kleine Randnotiz: Gleich zwei seiner Kinder bringt Boorman in kurzen, aber vergleichsweise zentralen Rollen unter. Seiner Tochter mutet er dabei die vielleicht peinlichste Sexszene der Filmgeschichte (sie nackt, der Partner in voller Rüstung) zu. Bizarr.

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