Die verlorene Ehre der Katharina Blum

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Originaltitel:
Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Jahr:
1975
Eingetragen:
30.06.2022
TMDB-Wertung:
7/10


Hannes schreibt:

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Mit Privatspäre ist es vorbei
Eine Erzählung von Heinrich Böll, Anfang der 70er Jahre bereits ein lebendes deutsches Denkmal und gerade frisch mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Die sich kritisch mit der gesellschaftlichen Rolle der Boulevardpresse auseinandersetzt und vor dem Hintergrund des RAF-Terrors spielt. Einen dankbareren Stoff hätte man sich für den ohnehin politisch linksorientierten Neuen Deutschen Film nicht wünschen können.

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Alles an die Öffentlichkeit gezerrt – ob wahr oder ausgedacht
Heutzutage wirkt die Geschichte der Durschschnittsfrau (Angela Winkler), die aufgrund einer Nacht mit einem gesuchten RAF-Mitglied (Jürgen Prochnow) ins Visier erst der Polizei und dann der ZEITUNG gerät, reichlich staatstragend. Die sensationsgeile Berichterstattung, weitgehend erfunden und über Facetten, die überhaupt keine Rolle spielen (sollten), aus der es kein Entrinnen für die Protagonistin mehr gibt, ist bedrückend oder sogar erdrückend. Und mit Blick auf den gerade mal zehn Jahre zurückliegenden Kachelmann-Prozess ist die Thematik wohl leider weiterhin relevant. Nur würde es heute keiner mehr derart offen und plump eingestehen. Schließlich schnappte sich die reale Bild-Zeitung des Jahres 2011 Alice Schwarzer als Kolumnistin/Feigenblatt.

In der fiktiven Geschichte des Films ist es stattdessen ein schmieriger Reporter (Dieter Laser), karriere- und sexgeil. In dieser Rolle macht sich die Geschichte leider höchst angreifbar. Die meisten anderen auftretenden Charaktere sind zumindest zweidimensional gezeichnet. Mit dem Reporter springen Böll, Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta jedoch vergleichbar um, wie sie es der ZEITUNG bzgl. der Hauptfigur vorwerfen. „Jetzt bumsen wir erstmal”, wirft der Reporter (zusammen mit Geldscheinen) Katharina Blum ins Gesicht. Im Krankenhaus schreit er auf Katharinas sterbende Mutter ein – subtil ist anders.

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Jedes Mittel ist recht für neuen Stoff
Der von den Beteiligten gewohnt dröge Inszenierungsstil passt sich dem Stoff an. Kulissen sind primär Betonhochhäuser in heruntergekommener Umgebung oder muffige Dienststuben. Die Kürze des Originalstoffs erlaubt es dem Regieduo, anders als in späteren Werken, ohne größere Kürzungen auszukommen, ja sogar eine neue Schlussszene zuzufügen. Ausnahmsweise ist somit die Kenntnis jener Vorlage nicht notwendig, da der Film stringent erzählt und intrinsisch nachvollziehbar ist.

Insofern muss man neidlos zugestehen: Die verlorene Ehre der Katharina Blum funktioniert! Der Film ist parteiisch, ja polemisch. Er bestätigt letztlich wohl nur die Weltsicht seiner Zuschauerschaft, wird und kann wahrscheinlich niemanden überzeugen. Aber ein bisschen „preaching to the choir“ ist doch auch mal schön.

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