Hannes schreibt:
Wahre Vertrautheit
Akribische Gesichtsplanung
In seinem Beruf als Schönheitschirurg beteiligt er sich an einem Resozialisierungsexperiment für Straftäter: Unter der Annahme, dass häufig die Probleme, die eine physische „Entstellung“ mit sich bringt, sie auf die „schiefe Bahn“ geführt haben, gibt Philip ihnen neue Gesichter und damit eine „zweite Chance“. Als er die Kandidatin Lily Conover (ebenfalls Scott) sieht, wächst in ihm ein verrückter Plan heran: Er gibt Lily das Gesicht Alices; da letztere niemandem in seinem Umfeld bekannt ist, ohne dass Jemand etwas ahnt.
Doch damit nicht genug: Er kleidet Lily neu ein, sorgt für einen neuen Haarschnitt usw. – bis sie schließlich das genaue Abbild Alices ist. Die Hochzeit lässt nicht lange auf sich warten. Doch schon bald muss Philip erkennen, dass er eben doch nur Äußerlichkeiten geändert hat: Wo Alice kultiviert war, ist Lily vulgär; mit Alice verband ihn eine tiefgehende Liebe, während Lily ihm einfach nur eine gewisse Dankbarkeit entgegenbringt (und er sich umgekehrt auch gar nicht für sie interessiert, sondern nur für das, wozu er sie formen will). Endgültig verzwickt wird es, als dann die echte Alice sich eines Besseren besinnt und zu Philip zurückkehren möchte – plötzlich ist Lily sogar im Weg…
Auch Kleidung und Stiling werden angepasst
Doch Alice ist es trotzdem nicht
Doch wo letzterer Film auf relativ billige dramaturgische Effekte setzt, versucht sich dieser Film, wie auch Vertigo, an der persönlicheren, weitaus tragischeren Ebene. Der generelle Aufbau in verschiedene Phasen und sogar einige Szenen, wie beispielsweise der Kleiderkauf, tauchen bei Hitchcock acht Jahre später fast genauso wieder auf. Kaum vorstellbar, dass das alles reiner Zufall sein sollte.
Thematisch also absolut top, doch was die beiden Filme unterscheidet, ist erstens die emotionale Überspitzung, die Stolen Face lange nicht so weit treibt (keine suggestive Musik der Marke Hermann), und zweitens die Frauenrolle: Judy (Vertigo) ist aufgrund ihrer eigenen Schuld stärker in der passiven und bemitleidenswerten Opferrolle als Lily, die mit der Zeit auch dem Zuschauer eher unsympathischer wird. Somit ist ist Stolen Face in gewisser Weise inhaltlich sogar ambivalenter; cineastisch wird es jedoch vom jüngeren Film unzweifelhaft deutlich übertroffen.
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