Hannes schreibt:
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Simon James (Jesse Eisenberg), die personifizierte Unauffälligkeit. Er fährt jeden Tag zur Arbeit, tut dort seinen Job (woraus auch immer der im Detail besteht), und ist laut eigener Aussage auch gar nicht schlecht darin – doch niemand nimmt dies, oder ihn überhaupt, wahr. In Restaurants wird er nicht oder nur sehr niedrigprioritär bedient. Das Pflegeheim seiner dementen Mutter (Phyllis Somerville) zockt ihn wie selbstverständlich ab. Sein großer Traum gilt Kollegin Hannah (Mia Wasikowska), die per Fernrohr zu bewundern er sogar in ein winziges Apartment ihr gegenüber eingezogen ist.
Kurz sieht es so aus, als käme der Kontakt mit James auch Simon zu Gute. James' Gesellschaft macht auch ihn (relativ gesehen) sicht- und streitbarer. Doch langsam aber unaufhaltbar kristallisiert sich heraus, dass es doch eigentlich wieder James ist, der von den gelegentlichen Rollentauschen profitiert: James' Arbeit erledigt Simon bald alleine (unter Vernachlässigung seiner eigenen), als er ein Liebesnest für geheime Treffen mit der Tochter (Yasmine Paige) des Chefs braucht, erpresst er sich den Schlüssel zu Simons Wohnung. Auch Hannah kann dem aalglatten Doppelgänger nicht widerstehen – und als Simon erfährt, dass dieser auch noch seine eigenen Aussagen zwecks Verführung verwendet hat, ist ihm klar, dass er nur benutzt wird. Doch was soll er tun? Wer würde ihm, und nicht dem beliebten James glauben? Mit jedem seiner Versuche, sich zu erklären, und James zu entlarven, zieht er sich selbst nur tiefer in den Sumpf.
In diesem Sinne ist The Double eine zutiefst moralische Geschichte, die auch mit einem leicht kitschig angehauchten Ende aufwartet – das sich aber immerhin eventuell nur in der Fantasie des Protagonisten abspielt. Trotzdem bleiben einem zum Glück diverse unnötige moralisierende „Antworten“ erspart, denn auch wenn Simon am Ende vielleicht ein wenig an der Herausforderung James' gewachsen ist, hat er den vielbeschworenen Mittelweg ja immer noch nicht gefunden. Insofern bleibt er eine tragische Figur, mit der man sich identifizieren kann.
Was nur gut ist, denn so entwickelt The Double gegenüber ähnlich gelagerten Doppelgängergeschichten, beispielsweise der gleichnamigen Folge aus Alfred Hitchcock Presents oder Ein Mann jagt sich selbst ein – ironisch – eigene Identität. Soweit die einigermaßen objektiven Beobachtungen. Es bleibt die subjektive Bewertung der subjektiven Darstellung, und die kann man glücklicherweise kurz halten: bislang einer der besten Filme des laufenden Jahrtausends! Und als solcher „selbstverständlich“ leider nicht weitläufig überhaupt zu sehen, weil ja schließlich sämtliche Kinosäle für „tolle“ „neue“ „Superheldenfilme“ „gebraucht“ werden.
Kommentare