Hannes schreibt:
Was ist Realität, was unterscheidet ein simuliertes Leben von einem echten und ist dieser Unterschied überhaupt relevant? Eine der relevantesten Fragen der Moderne und spätestens seit Welt am Draht ein sich wiederholendes Thema in der Filmwelt (The 13th Floor,eXistenZ, Inception…). Schon damals erwies sich das Thema als fernsehkompatibel, wobei man sich in den 70er Jahren mit dem Zweiteiler noch etwas mehr Entfaltungszeit lies. Was man von Exit nicht behaupten kann, was dem Film leider nicht unbedingt zu Gute kommt.Dabei ist die Geschichte recht geschickt auf die Produktionsumstände abgestimmt. Die Entwickler einer Simulationssoftware (Friedrich Mücke, Aram Tafreshian, Jan Krauter und Laura de Boer) befinden sich zwecks Verkaufs ihres revolutionären Systems an einen stinkreichen Investor (David Tse) in dessen Hotel, wo dann auch die gesamte Geschichte spielt. Kostengünstig und effizient, schlau gemacht. Es kommt zu Spannungen innerhalb des Teams über ethisch-moralische Fragen (nicht ganz klar, warum das vorher anscheinend kein Thema war, aber das ist wohl der komprimierten Laufzeit anzulasten). Und irgendwann kommen ihnen dann Zweifel, ob sie sich nicht selbst in einer Simulation befinden.
Die archetypischen, ans Cliché kratzende Figuren (der Technik-Nerd, der unmoralische Geschäftemacher usw.) sind mit Ausnahme des irritierend-seltsamen Sprachduktus Laura de Boers adäquat zurückgenommen gespielt. Die Geschichte an sich plätschert eher überraschungsarm dahin. Es schlägt der übliche Fluch unserer Zeit zu, dass wie zu Frühzeiten des Tonfilms absolut alles immer nochmal explizit ausgesprochen werden muss. Exemplarisch: Der Protagonist führt ein Videotelefonat mit seiner Freundin, es kommt zu seltsamen Bildstörungen – ebensolchen, wie man sie bereits vorher in einer Simulation gesehen hat. Der Zuschauerschaft ist in diesem Moment also klar, die Kommunikationspartnerin könne eventuell nur simuliert sein. Doch was macht der Film? Lässt den Protagonisten in der direkt folgenden Szene aufgeregt herumlaufen und seinen Kompagnon genau diesen Verdacht haarklein nochmal verbal ausbreiten.
Grenzwertig misslungen auch die Visualisierung abstrakter Handlungen innerhalb der Computerwelt. Der Einbruch in ein fremdes Mailkonto verkommt so geradezu zur Slapsticknummer. Immerhin muss man zugestehen, dass dies bislang noch niemandem so richtig gelungen ist (siehe beispielsweise Open Windows, Who Am I oder Anon).
Besser gelungen ist die implizite Behandlung der zugrundeliegenden Themen. Spezialeffekte werden sparsam, aber zielgerichtet eingesetzt, wo sie einen Sinn erfüllen. Eine große Rolle spielen beispielsweise die Kontaktlinsen, die den Zugriff auf das „Cyberspace“ ermöglichen. Beim Einsetzen leuchten sie nicht nur hellblau auf, sondern beachtenswert ist die Körpersprache der Schauspieler: Sie richten sich auf, wirken sofort stärker, aufmerksamer, lebendiger – während sie beim Herausnehmen der Linsen sichtbar in sich zusammensacken, als wäre ihre Lebensenergie aus ihren Körpern entwichen. Was mehr aussagt über unsere heutige Welt und diejenige, auf die wir uns in riesigen Schritten zubewegen, als alle expositorischen Dialoge.
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