Alice

Poster
Originaltitel:
Alice ou la dernière fugue
Jahr:
1977
Eingetragen:
27.11.2021
TMDB-Wertung:
6,1/10


Hannes schreibt:

Alice Caroll (Sylvia Kristel) muss mal wieder durch den Spiegel. Nach völliger Entfremdung von ihrem Ehemann (Bernard Rousselet) verlässt sie das Haus in düsterer Regennacht. Nach einem Unfall sucht sie Unterschlupf in einem alten Herrenhaus. Hausherr Henri (Charles Vanel) und Diener Colas (Jean Carmet) zeigen sich mehr als verständnisvoll und zuvorkommend. Doch natürlich hat Alice hiermit eine andere Welt betreten, in der eigene Regeln gelten, wie sie bald erkennen muss.

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Unüberwindliche Differenzen
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Koffer gepackt, aber wohin?

Alice, der Film, ist also ein Lehrstück in Sachen Surrealismus. Mag die Schlusswendung heutzutage auch noch so abgedroschen wirken, so ist der Weg bis dahin doch sehenswert. Was in den folgenden Tagen und Nächten passiert, folgt einer inhärent nachvollziehbaren Traumlogik. Ängste manifestieren sich in unüberwindlichen Mauern. Intrinsisch und extrinsisch reflexive Charaktere tauchen auf, verschwinden wieder oder tauchen in anderen Rollen plötzlich erneut auf. Gesellschaftlicher Konformismus wird verhandelt, aber ohne in typisch französisch ausladende Predigten abzudriften.

Filmisch ist das Kammerspiel mit großer Sorgfalt inszeniert. Das Haus bleibt unübersichtlich, verengt oder öffnet sich optisch im Sinne der jeweiligen Erzählphase. Bei dem einen Ausbruch werden die Dorfstraßen zu einem Labyrinth. Der Garten ist wild überwuchert. Gitter sind subtil allgegenwärtig. Uhren, manchmal kaputt, manchmal nicht, ziehen sich als Motiv durch alles. Und wenn die Kellnerin Alice ihre eigentliche Bestellung ausredet, muss man geradezu an den Mieter denken.

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Dem Patriachat den Rücken gekehrt (erfolglos)
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Realitätszerfall

Diese Qualität erreicht Alice zwar nicht, aber trotzdem sehenswert, denn hier steht die Inszenierung im Dienst der Erzählung. Anders als in gewissen anderen zeitgeistigen Werken schwelgt man nicht in bedeutungslosen Bildern und Symbolen. Alice ist nicht selbstverliebt, sondern Schlau ohne Protzerei.

P.S. Sylvia Kristel sei hauptsächlich bekannt aus Airport '80 bekannt, behauptet die DVD-Hülle. Sind wir, als Gesamtgesellschaft, immer noch nicht über solche Doppelmoral hinweg?

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