Das Haus des Grauens

Poster
Originaltitel:
The Old Dark House
Jahr:
1932
Eingetragen:
28.08.2022
TMDB-Wertung:
6,7/10


Hannes schreibt:

1932 konnte ich James Whale, nach Frankenstein, wahrscheinlich selbst aussuchen, was als nächstes kommen sollte. Und er entschied sich ausgerechnet für ein kleines, dreckiges, höchst britisches Gesellschaftsdrama. Na ja, immerhin verpackt als Geisterhausfilm. Und, sicher auf Insistenz des Studios, wieder mit Boris Karloff in einer beinahe stummen Monsterrolle. Worauf eine dem Film vorangestellte Texttafel sogar noch extra hinweist, damit man es als weniger bedarfter Zuschauer auch trotz wiederum dicker Maske auch nicht verpasst.

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Wasserspeierfiguren bringt man eigentlich an der Außenfassade an, oder?

In diesem verfallenden Herrenhaus lebt die letzte Generation der Familie Femm. Horace (Ernest Thesiger), geschminkt wie ein Totenschädel, und Rebecca (Eva Moore), beide auch schon im Seniorenalter, beide niemals verheiratet und damit ohne Perspektive auf Fortsetzung der Blutlinie. Was, wie man schnell bemerkt, wohl auch besser so ist. Ihr drittes Geschwister, Saul (Brember Wills) ist gleich permanent weggesperrt, da anscheinend nicht nur wahnsinnig (was in der Familie nichts Besonderes wäre), sondern auch wahnsinnig gefährlich.

Und von der anderen Schwester redet man nur noch unter der Hand. Mit Anfang 20 ist sie ums Leben gekommen. Eventuell von der Familie selbst hingerichtet für „moralische Verfehlungen“? Oder doch, weil die weniger attraktive Rebecca einfach eifersüchtig auf ihren ausschweifenden Lebensstil war? Oder ist sie ohnehin nur eine externalisierte Projektion Rebeccas eigener Taten in ihrer Jugend, bevor sie sich einer strengen, aber dabei höchst naiven Religiosität zuwandte? Über die sich ihr völlig impotenter Bruder immerhin permanent in höchst verletzenden Spitzen echauffiert. Ach ja, und auch Femm Senior (Elspeth Dudgeon) lebt sogar noch, permanent ans Bett gefesselt. Und ja, gespielt von einer Frau.

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Schönheit vergeht

In der Romanvorlage geht es motivisch primär um das britische Klassensystem. Die Kontrastierung der sterbenden, inzestuösen alten Elite (representiert durch die Femms) mit dem neuen „Geldadel“, im Film in Form Charles Laughtons, mit breitem Arbeiterakzent und bis zum letzten ordinär in seinem ganzen Wesen, aber eben zu Geld gekommen und mit großem Selbstbewusstsein.

Whale unterfüttert das alles mit einem queeren Subtext. Als wären die sprechenden Namen der Figuren nicht bereits genug, ist die affektierte Kodierung Horaces gleich ab seinem ersten Auftritt auf der Treppe nicht zu übersehen. Alle Bewohner werden durch ihre jeweiligen Zimmer charakterisiert – nur Horaces bekommt der Zuschauer niemals zu sehen. Obwohl er einen der Gäste dorthin einlädt, um diesem „etwas sehr Interessantes zu zeigen“. Das Kopfkino geht an, aber homosexuelles pornographisches Material wäre 1932 wohl zu weit gegangen. Und dann natürlich Vater Roderick, deren Darstellerin Whale zwar pro forma noch ein paar verlorene Baarthaare ins Gesicht klebt, aber ansonsten macht er sich keine Mühe irgendetwas zu verbrämen. Nicht nur sieht sie eben aus wie eine Frau, Dudgeon spricht im Original mit ihrer eigenen Stimme (auf Deutsch leider mit einem Mann synchronisiert), ohne sie auch nur ansatzweise zu verstellen.

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Alle im Höllenfeuer

Zuguterletzt bekommt durch Saul dann sogar noch Karloff seinen kurzen Moment. Seine Rolle des stummen Hausdieners, der zwar vordergründig das Essen serviert, aber eigentlich eher eine Art brutaler Gefängniswärter, vor dem die formellen Eigentümer des Hauses zittern, ist angemessen bedrohlich inszeniert. Aber als Saul dann doch entflieht und nach einer schmerzhaft bedrohlichen Szene ums Leben kommt, zeigt eben dieser Diener zum ersten Mal Emotion, jault mit echtem Schmerz und trägt Sauls leblosen Körper wieder zurück die Treppe hinauf, als wären es King Kong und die weiße Frau.

Alles höchst mutig. Die historische Bewunderung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Whales Inszenierung sich nicht auf dem höchsten Niveau, was er zu leisten fähig war, befindet. Zu konventionell wird die Kamera statisch platziert. Wohl um die wenigen, günstig gebauten Kulissen nicht zu sehr sichtbar zu machen. Und auch das Drehbuch hat seine Schattenseiten. Die Dialoge zentraler Szenen sind sehr exakt geschrieben, höchst britisch mit subtil-zynischen Bemerkungen allerseits. Doch dazwischen gibt es zu viel Füllmaterial mit schalen Scherzen. Trotz Laufzeit von gerade mal 70 Minuten. Insofern eher filmhistorisch interessant als genuin unterhaltsam.

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