Sleeping Beauty

Poster
Originaltitel:
Sleeping Beauty
Jahr:
2011
Eingetragen:
09.10.2011
Bearbeitet:
10.03.2013
IMDB-Wertung:
5,3/10
TMDB-Wertung:
5,3/10


Hannes schreibt:

Lucy (Emily Browning), formell Studentin, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs aller Art durch. Ob nun Experimente mit Magensonden, das klassische Kellnern und Kopieren oder auch Gelegenheitsprostitution – was Geld bringt, ist erlaubt. Der neueste Höhe- oder auch Tiefpunkt dieser ziellosen Überlebensstrategie führt sie in die Agentur Claras (Rachael Blake). Lucys erste dort organisierten Einsätze: Zusammen mit einer Gruppe anderer Frauen bewirtet sie bei recht formellen Geselligkeiten ältere Herren – in Unterwäsche.

Doch die eigentliche „Marktlücke“ kommt erst noch: Der Vorschlag ist, dass Lucy sich ein Schlafmittel eintrichtern lässt und ein paar Stunden später wacht sie wieder auf. Zwischendurch darf der zahlende Herr mit ihr tun, was er will; nur Penetration und sichtbare Verletzungen sind ausgeschlossen. Die Bezahlung ist gut, doch nach ein paar „Sitzungen“ wird sie dann doch neugierig, was da eigentlich mit ihr passiert...

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Wenn das mal nicht ebenfalls sexuell-fetischistisch zu verstehen ist…

Der Zuschauer weiß das natürlich bereits und es ist eigentlich gar nicht so spektakulär. Da leben ein paar „reiche Säcke“ ihre clichéhaften Männlichkeitsfantasien aus, was in allen Fällen mehr als kläglich endet, oder sie sehnen sich einfach nur nach Nähe und Zärtlichkeit. Doch, wie es nun mal mit den meisten Formen der Ersatzbefriedigung ist, stillt das ein tieferes Verlangen nicht, sondern nährt es mittelfristig sogar noch.

Einer dieser Kunden zitiert Ingeborg Bachmanns Das dreißigste Jahr; er sei immer in der „gesellschaftlichen Falle“ gefangen gewesen, habe jedoch anders als der dortige Erzähler niemals den Ausbruch versucht. Eine gesteigerte Erkenntnis fuer den Zuschauer ergibt sich jedoch nicht. Von Seite der „Kunden“ schwingt einfach eine unerfüllte Sehnsucht mit: Sie haben Macht, Einfluss und Geld im Überfluss, aber ausleben können sie all das nicht mehr; was in Malastrana in einer großen Verschwörung reicher und mächtiger Senioren ihren Ausdruck findet, endet hier tragisch, aber kaum weniger egoistisch: Lucys letzter Einsatz gestaltet sich auch für sie verstörender, als man es sich hätte träumen lassen.

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Anziehpuppe

Doch im Zentrum der Geschichte steht natürlich eigentlich das Dornröschen: Die Rolle der Lucy ist mit Emily Browning in ihrer feenhaften, höchst verletztlichen Erscheinung absolut passend und glaubwürdig besetzt. Schon recht bald wird klar, dass es sich in Lucys Fall auch nicht nur um die Studienfinanzierung dreht; kaum vorstellbar, dass sie tatsächlich finanzielle Probleme haben sollte bei dem Arbeitspensum. Tatsächlich versucht sie, ihr eigenes chaotisches Leben irgendwie rumzubringen. Ohne Weg und Ziel lässt sie sich von Tag zu Tag treiben, entwickelt niemals eine Perspektive. Die unsystematische Sinnsuche ist für sie zum Dauerzustand geworden und hat dabei bereits lange ihren Sinn verloren.

Ihren einzigen wirklich privaten Kontakt hat sie mit einem ebenso problematischen Charakter: Der „Birdman“ (Ewen Leslie) ist ein Alkoholiker, der nur selten seine chaotische Wohnung verlässt, aber immerhin versucht, von seiner Sucht loszukommen. Was ihm allerdings ebensowenig gelingt wie Lucy. So interessant Ansätze die Geschichte bezüglich Lucy und der Seniorenfraktion bietet, bleibt Sleeping Beauty jedoch bei den anderen Nebencharakteren eher oberflächlig. Selbst über den Birdman erfährt man zu wenig, in einer Szene gibt es Andeutungen, er könne Lucys letzte Verbindung zu einem „früheren Leben“ sein. Doch genauso wie auch im Fall Claras und ihrer kurz oberflächlig aufflackernden Moral bleibt das bei nicht tiefer ausgeführten Andeutungen.

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Alles für den zahlenden Kunden bereit

Dazu kommt eine sehr statische Inszenierung: In fast allen Szenen steht die Kamera einfach an einer festen Stelle und bleibt auch dort. Selbst einfachste Schwenks oder andere Bewegungen bleiben dem Zuschauer verwehrt. Dadurch entsteht eine sehr ungewohnte Langsamkeit, die manchmal die bedrückende Trostlosigkeit noch unterstützt, manchmal jedoch auch eher wie reines Unvermögen der Regiedebütantin Julia Leigh (die hier ihren eigenen Roman verfilmt) wirkt.

Die Form für sich ist natürlich nicht wichtig, aber sie sollte im Dienst der Erzählung stehen. Intelligent platzierte filmische Stilmittel, auch wenn sie sparsam eingesetzt werden, können die inhaltlichen Aussagen unterstreichen oder manchmal auch erst klar machen. Diese Ebene fehlt Sleeping Beauty leider trotz relevanter Themen weitgehend. Als gelungenen Film kann man ihn deshalb nicht bezeichnen.

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