Hannes schreibt:
In den 70er Jahren war Regisseur John Boorman der erste, der dem vielgeträumten Traum einer Filmadaption des dreibändigen Schinkens Der Herr der Ringe planungstechnisch immerhin nahe kam. Doch es scheiterte dann im letzten Moment wieder an der leidigen Finanzierung (Boorman drehte im Folgenden stattdessen Excalibur). Als nächstes kam der erfolgreiche Trickfilmer Ralph Bakshi ins Gespräch. Anders als Boorman wollte er die Bücher einzeln verfilmen, was er jedoch ebenfalls nicht durchsetzen konnte. Immerhin konnte man sich auf zwei Filme einigen, von denen allerdings (anscheinend aus irgendwelchen firmenpolitischen Gründen) nur der erste schließlich produziert wurde: 1,5 Bücher in gut zwei Stunden destilliert.Saruman will selbst die Macht
Aragorn und die Hobbits bedroht von Ringgeistern
Mit Gandalf in Moria
Stilistisch geht es erstmal mit Animationen los, die denen aus dem übermächtigen Hause Disney gar nicht mal so fern sind: Hobbit Bilbo (Norman Bird / Billy Barty) verlässt sein Heimatdorf, der alte Magier Gandalf (William Squire) warnt dessen Neffen Frodo (Christopher Guard / Sharon Baird) vor der dunklen Macht des ihm vererbten Ringes und wird anschließend von Saruman (Fraser Kerr), dem Kopf seines Ordens, der selbst von der Macht des Bösen verführt wurde, überwältigt und gefangengesetzt.
Doch während er Reise der Hobbits ins Land der Elben treten dann zum ersten Mal die Ringgeister auf, die hinter Frodos Ring her sind. Hier ändert sich der Stil abrubt: Die Szenen wurden erst mit kostümierten Darstellern gefilmt, anschließend „übermalt“ und vor psychedelische Hintergründe geschnitten. Gleiches passiert später mit den Orks und anderen Monstern. Durch diese Verfremdungstechnik wirken diese Wesen fremd und bedrohlich, was dem Film athmosphärisch sehr zu Gute kommt.
Seltsam wird es jedoch, wenn diese beiden stilistischen Welten, also einerseits die klassische „Komplettanimation“ und andererseits das sogentannte Rotoskopieverfahren, aufeinandertreffen. Plötzlich tauchen zwischen rotoskopierten Darstellern Cartoonfiguren auf. Doch auch das ist wieder nicht konsistent durchgehalten: Zentrale Figuren wie Frodo oder auch Schleicher/Aragorn (John Hurt) werden meistens animiert, in einzelnen Szenen treten sie jedoch auch in Form dünn übermalter Schauspieler auf. Teilweise lassen sich diese Unterschiede in den zu vermittelnden Stimmungen der Szenen begründen: Wenn tagsüber Charaktere freundlich miteinander umgehen, sieht man eher Animationen, wird es düster und gefährlich, verwandeln sich die Figuren in ihre realistischeren Abbilder. Aber eben nur teilweise.
Orkhorden lagern vor Isengard
Schon bald kommen sie zum Einsatz
Erzählerisch muss man natürlich rein durch die (fehlende) Ausführlichkeit begründet einige Abstriche machen. Positiv zu vermerken ist, dass zentrale Szenen sehr gut gelungen sind. Spannende, dramatische Szenen werden langgezogen, Routineszenen wie Reisen kurz abgehandelt. So ziehen sich die Überfalle der Ringgeister auf der Straße, im Gasthaus und am Fluss, die Konfrontation mit dem Balrog in den Höhlen von Moria sowie die den Film abschließende Schlacht um Helms Klamm dramaturgisch in die Länge, indem sie in einer spannungssteigernden Langsamkeit und mit einem großen Gespür für Emotionen und Tragik, die im „High-Fantasy“-Genre so besonders wichtig sind, erzählt werden.
Soweit, so gut, jedoch scheitert die Erzählung insgesamt trotzdem – und zwar völlig. Damit ist gar nicht gemeint, dass einige Handlungsfäden (Frodos und Sams (Michael Scholes) Reise in Richtung Mordor, begleitet von Gollum (Peter Woodthorpe); Pippins (Dominic Guard) und Merrys (Simon Chandler) Treffen mit Baumbart (John Westbrook)) absolut ins Leere laufen. Das liegt natürlich am fehlenden zweiten Teil. Nein, das eigentliche Problem ist, dass die Geschichte immanent leider völlig unverständlich bleibt! Charaktere tauchen ohne Einführung (weder namentlich, noch funktional) auf, verschwinden unvermittelt wieder. Andere Charaktere sind anscheinend unter mehreren Namen bekannt (Saruman wird zwischendurch zu „Aruman“). Gerade am Anfang fehlt einige entscheidende Exposition. Wenn man die Geschichte nicht bereits vorher grob kannte, dürfte man ziemlich verloren sein.
Das ist schade, denn Bakshis Herr der Ringe ist Alles in Allem ein hochinteressantes Experiment, das absolut ernstgemeint und auch ernstzunehmen ist, und dem Vieles eindrucksvoll gelingt. Doch genauso spektakulär ist letztlich auch sein Scheitern. Fans kommen aber natürlich trotzdem nicht an dem Film vorbei: Ein Vergleich mit kindischen Machwerken wie den TV-Zwischentrickversionen von Der kleine Hobbit und Die Rückkehr des Königs ist überhaupt nicht möglich – da liegen Welten zwischen!
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