Hannes schreibt:
In den britischen Clubs haben Inder (außer Bediensteten) keinen Zutritt
Wie üblich geht es um ein historisches Thema: In den 1920er Jahren reisen Adela Quested (Judy Davis) und Mrs. Moore (Peggy Ashcroft) nach Indien. Für Adela ist es die erste Reise ins Ausland überhaupt. Sie soll dort Mrs. Moores Sohn Ronny (Nigel Havers), einen hohen Beamten, heiraten.
Solche Zusammenkünfte sind eigentlich undenkbar
Die drei machen die Bekanntschaft des einheimischen Dr. Aziz (Victor Banerjee), der überglücklich über die Aufmerksamkeit, die die von ihm verehrten Europäer ihm schenken, ist. Er lädt seine neuen Freunde zu einem Ausflug in die berühmten, nahegelegenen Höhlen ein und treibt einen unglaublichen Planungsaufwand, um seine Gäste zufriedenzustellen. Doch trotz aller Planung geht an dem Tag Einiges schief: Fielding und Godbole verpassen den Zug; Mrs. Moore bekommt in den engen, düsteren Höhlen, in denen gespenstische Echos zu hören sind, Platzangst und möchte lieber draußen auf ihre Mitreisenden warten. Also ziehen Aziz, Adela und ihr Führer alleine weiter den Berg hinauf. Dort bekommt schließlich auch Adela einen Panikanfall, als sie gerade alleine eine Höhle zu erkunden versucht: Aziz ist auf der Suche nach ihr, seine Stimme hallt von den Wänden wieder, die drückende Hitze und die Dunkelheit machen ihr zu schaffen.
Schicksalshafte Ereignisse vor beeindruckender Naturkulisse
Lean inszeniert das Aufeinanderprallen zweier Kulturen insofern meisterhaft, dass er die Probleme beidseitig und in Graustufen beleuchtet. Auf der einen Seite stehen die regelwütigen und zugeknöpften Briten, für die es schon „unschicklich“ und beinahe skandalös ist, wenn die junge Adela allein mit den Indern Godbole und Aziz ist und sogar („shocking“) ihr Schuhe auszieht und die Füße in einen Teich steckt. Auch wenn die Zuschauer nichts über ihr früheres Leben erfahren, so ist doch klar, dass sie bislang ein extrem behütetes Leben geführt hat. Die sexualisierte Skulpturen der alten indischen Tempel stürzen sie beinahe in eine persönliche Krise.
Noch weht die britische Flagge
Denn Aziz ist ursprünglich der Charakter, der die indische Bevölkerung repräsentiert, die sich durchaus mit den Briten arrangieren will. Er wünscht sich erstmal nichts mehr, als von ihnen eben als gleichwertiger Freund aufgenommen zu werden. Doch dann muss er, im kleinen und großen, immer wieder feststellen, dass er am Ende doch für diese nur eine nicht ernstzunehmende Kuriosität ist. Nach seinem Freispruch und der wieder folgenden Enttäuschung durch Fielding legt er bedeutungsschwanger seinen westlichen Anzug ab, kleidet und schminkt sich fortan traditionell indisch. Endlich sei er „ein echter Inder geworden“, sagt er – was bedeutet, dass er in seiner Verbitterung nichts mehr mit den Briten zu tun haben möchte. Und dann ist da natürlich noch Godbole, der einfach alles stoisch geschehen lässt, wahrscheinlich in der weisen Erkenntnis, dass sich die Dinge schon regeln werden – also die Briten hier eh keine Zukunft mehr haben.
Den Protesten ist kaum mehr Einhalt zu gebieten
Hört sich alles gut an? Ist es auch. Oscars hat Reise nach Indien ebenfalls abgestaubt. Ein kommerzieller Erfolg war der Film trotzdem nicht. Die einzige denkbare Erklärung ist, dass Lean ihn eben inszenierte, als wäre es immer noch 1960: Mitte der 80er Jahre war die Zuschauermasse schon schnellere und effekthascherische Erzählweisen gewohnt. Und Europäer „anzumalen“, um sie Ausländer spielen zu lassen (auch wenn Guinness wirklich gut ist), war eigentlich bereits (zu Recht) nicht mehr so gerne gesehen. Eigentlich schade, dass es an solchen Äußerlichkeiten scheitern musste.
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