Vampyros Lesbos – Die Erbin des Dracula

Poster
Originaltitel:
Vampyros Lesbos
Jahr:
1971
Eingetragen:
25.05.2013
IMDB-Wertung:
5,4/10
TMDB-Wertung:
5,7/10


Hannes schreibt:

An Dracula hatte sich Billigfilmer Jess Franco bereits ein Jahr zuvor in Nachts, wenn Dracula erwacht versucht. Man sollte meinen ein dankbares Thema für seine Lieblingsthemen „Sex & Gewalt“, doch diese Dynamik ging in der allzu großer Werktreue verloren. Vampyros Lesbos klingt nicht nur so, als befände er sich wieder auf seinem Heimatterrain, die größere Freiheit tut dem Film tatsächlich sehr gut.

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Bei der Sinnkrise der modernen Frau können die Herren der Welt nicht helfen

Dabei ist die Handlung diesmal trotzdem wieder eine gar nicht mal so weit hergeholte Dracula-Adaption. Nur, dass sämtliche zentrale Charaktere Frauen sind: Immobilienmaklerin Linda Westinghouse (Ewa Strömberg) hat wiederkehrende Träume, wie sie von einer Frau verführt wird. Ihr Psychiater Dr. Steiner (Paul Muller) findet das völlig normal: Sie sei einfach sexuell unbefriedigt, soll sich neben ihrem Verlobten Omar (Andrés Monales) ruhig einen weiteren Liebhaber suchen. Erstmal muss sie jedoch beruflich nach Anatolien, wo die junge Gräfin Ordubi (Soledad Miranda) lebt, die eine Wohnung in Istanbul sucht.

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Die Bedrohung der etablierten Ordnung

Was folgt, ist eben die bekannte Handlung des Romans, inklusive der zentralen Figuren von Dr. Seward (Dennis Price) bis „Renfield“ Agra (Heidrun Kussin). Nur eben mit viel Sex, und wenn der gerade mal Pause hat, dann zumindest Nacktheit. Motivisch ergibt das, ob nun beabsichtigt oder nicht, insofern Sinn, dass die Paranoia vor „unzivilisierten Ausländern“ der Vorlage einfach durch eine ganz ähnliche Urangst des westlichen Establishments ersetzt wird: selbstbewusste weibliche Homosexualität, die die Selbstverständlichkeit des Patriachats dreist in Frage stellt.

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Davon gibt es in diesem Film…

Filmisch wird dies bereits in einer der Eingangsszenen vorausgedeutet: Linda und Omar besuchen einen Stripclub und schauen gebannt der Fummelei zwischen zwei Frauen auf der Bühne zu. Dieser Szene wird nicht nur, wie bei Franco zu erwarten, ausführlichst Zeit eingeräumt, sondern sie vermittelt auch Intimität und Nähe. Danach Schnitt zu Linda und Omar, wie sie wieder zu Hause zugeknöpft im Doppelbett liegen und aneinander so überhaupt kein Interesse zeigen; hier herrscht Distanz. Und so geht es eben weiter: In erotischen Begegnungen zwischen Frauen wird ästhetisch geschwelgt, während Männer nur als willenlose Helfer oder ahnungslose Idioten vorkommen.

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…eine Menge zu sehen.

Die Doppelmoral letzterer wird in einer weiteren zentralen Szene aufs Korn genommen, in der die nun bereits umgesiedelte Gräfin in besagtem Club auf der Bühne steht. Vor den gebannt-tumben Blicken der Hornbrillenträger im Publikum saugt sie ihrer Performancepartnerin das Blut aus – was mit einem begeisterten Applaus bedacht wird.

So ist es am Ende nur logisch, dass es kein klassischer Held ist, der nachher die „Ordnung“ wiederherstellt. Entgegen aller Logik ist es nachher Linda selbst, die sich in der klimaktischen Endbegegnung gegen die Versuchung des „Fremden“ entscheidet, es vernichtet und zum züchtig-heterosexuellen Leben zurückkehrt. Das ist natürlich wieder durch die Vorlage vorgegeben, wirkt in diesem Kontext zutiefst ironisch und bringt die Geschichte so zu einem gelungenen, runden Abschluss. Man sieht also: Wenn man Herrn Franco ein wenig mehr Freiheit gab, dann konnte er viel mehr überzeugen!

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