Venus im Pelz

Poster
Originaltitel:
Le malizie di Venere
Jahr:
1969
Eingetragen:
28.11.2013
Bearbeitet:
29.11.2013
IMDB-Wertung:
5,2/10
TMDB-Wertung:
5,4/10


Hannes schreibt:

Es gibt Stoffe, die prinzipiell zeitlos provokant sind. Meist sind das diejenigen Dinge, die sich weniger auf der gesellschaftlichen/politischen Ebene, als vielmehr der rein menschlichen bewegen. So macht der hundertjährige Zeitsprung diesem Film erstmal wenig: Ein Mann, der sich einer Frau „unterwerfen“ will, wird wohl auch in weiteren 100 Jahren noch lange nicht zum Mainstream gehören.

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Die Geschichte sollte sich also eigentlich zwischen genau zwei Personen entspinnen: Severin (Régis Vallée) und Wanda (Laura Antonelli). Severin kommt Wanda erstmal einseitig durch voyeuristische Aktivitäten näher. Dann beginnt er eine „normale“ Beziehung mit ihr. Schritt für Schritt bringt er jedoch seine „besonderen“ Vorlieben ein. Er möchte von Wanda geschlagen werden, sie beim Sex mit anderen Männern (Werner Pochath, Wolf Ackva, Michael Kroll) beobachten. Er streift eine Chauffeursuniform über und zieht in ein Dienstbotenzimmer. Wanda zeigt sich jeweils etwas befremdet, macht aber alles mit.

Wohlgemerkt: Severin tut all dies. Er wünscht, er fordert, er hat bei allem was passiert die Initiative. In einem Geschehen, das eben tatsächlich sehr wohl von ihm beherrscht wird: Selbst wenn er sich auspeitschen lässt, geschieht dies einzig und allein auf seinen expliziten, aus der konkreten Situation heraus verbalisierten Wunsch. Im Sinne des klassisch-patriachalischen Gesellschaftsbilds hat er also trotzdem die männlich-dominante Rolle dieser Beziehung inne. Er gibt Macht nicht ab, sondern verleiht sie nur temporär im Rahmen selbstgesteckter Grenzen, auf deren Einhaltung er penibel achtet. Er möchte Demütigungen erfahren, aber nur geregelter Natur. Man könnte diese Art des Masochismus fast schon als dominanter bezeichnen, als das Rollenverständnis in jeder Durchschnittsbeziehung.

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Dies reflektiert sich in der Rolle Wandas: Sie macht zwar eine Zeit lang alles mit, doch die Beziehung scheitert schließlich nicht etwa daran, dass sie ihre auf der Oberfläche „dominante“ Rolle schließlich tatsächlich verinnerlicht, sondern dass Severins Spielchen sie beginnen zu langweilen. Ihre einzige aktive Handlung besteht darin, sich nach den diversen von Severin ausgesuchten Männern, die auch schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, einen neuen Macholiebhaber (Loren Ewing) anzulachen, der sich dann sogar im Haus der beiden einnistet. Wohlgemerkt, das sei nochmal betont, nicht, um damit Severins Wunsch nach „voyeuristischer Qual“ zu erfüllen; ab diesem Punkt macht sie nur allzu klar, dass sie das bisherige Arrangement für beendet hält. Streng genommen eine viel stärkere Demütigung als alles vorher geschehene, doch dies will und kann Severin dann nicht mehr ertragen, da – siehe oben – es nicht mehr unter seiner Kontrolle stattfindet.

Da die Geschichte stilistisch als romantische Liebesgeschichte mit rein männlichem Blick (nicht zu vergessen fungiert Severin auch als Erzähler und kontrolliert damit auch die Informationen, die dem Zuschauer zugänglich gemacht werden) angelegt ist, könnte man das alles nun so interpretieren, dass Severin sich einfach die falsche Frau ausgesucht hatte. Im surreal angehauchten Ende, in dem er ein Happy End herbeifantasiert, in dem Wanda sich ihm „unterwirft“ und in diesem Rahmen seiner Forderung nach weiterer Züchtigung weiter nachkommt, könnte man dies reflektiert sehen. Doch das wäre reichlich oberflächlig; was – abgesehen von den offensichtlichen optischen Qualitäten – sollte diesen Severin dann eigentlich am Anfang geritten haben zu glauben, Wanda könne die richtige Partnerin für ihn sein?

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Sollte dagegen tatsächlich eine tragische Reflektion eines wirklich masochistisch veranlagten Mannes intendiert sein, muss man leider sagen, dass diese grandios gescheitert ist. Die eher plumpe Rahmenhandlung deutet dies immerhin an: Vor einem Psychiater schwadroniert Severin über seine Ablehung jeglicher gesellschaftlicher Konventionen und Normen, während sein Gegenüber zur Mäßigung rät. Dadurch schleicht sich sogar ein kleiner Kommentar zur damals aktuellen Gegenkultur ein, ohne aber einer Spiegelung dieses in der eigentlichen Handlung zu erreichen. Was natürlich am bereits dargestellten liegt: Severin erfüllt bis zu einem gewissen Maße ja genau die ihm als Mann gesellschaftlich zugeschriebene Rolle.

Eine dritte mögliche Interpretation wäre also, dass der Film als Psychogramm des Scheiterns Severins insofern gemeint ist, dass er sich selbst nicht weit genug von diesen gesellschaftlichen Konventionen zu lösen versteht. Doch für diese doppelbödige Deutung befindet man sich filmisch nicht auf ausreichend unterfüttertem Boden. In diesem Fall wäre es an dem Psychiater gewesen, dieses schiefe Selbstbild des Protagonisten herauszuarbeiten. Da dies nicht mal ansatzweise geschieht, muss man diese Theorie als zu weit hergeholt abtun. Nummer vier: Severin ist insofern als tragische Figur zu verstehen, dass er dachte masochistisch veranlagt zu sein, jedoch musste er erkennen, dass dem gar nicht so ist. An Plattheit kaum zu überbieten und nicht mit all seinen Aussagen aus dem Off vereinbar. Bleibt die fünfte Variante: Entweder aus Angst vor der zu großen Verunsicherung der (wahrscheinlich als vorwiegend männlich angenommenen) Zuschauerschaft oder aus Unvermögen schaffte man es nicht, eine konsistente Aussage über diesen einen Charakter (über Wanda erfährt man ja herzlich wenig) zu konstruieren. Das ist dann allerdings schade um einige ästhetisch wirklich schöne Bilder.

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