Hannes schreibt:
Was in Deutschland alles als künstlerische Avantgarde durchgeht, ist primär eine (traurige) Aussage über den generellen Zustand der deutschen Beziehungskomödienindustrie. So kann einem Regisseur Maximilian Erlenwein beinahe Leid tun, da er wahrscheinlich einfach nur einen spannenden Film machen wollte, er sich aber nun mit überhöhten externen Ansprüchen konfrontiert sieht.Soll heißen: Stereo beschreibt das bewährte Stilmittel des Grauens aus der dunklen Vergangenheit, das in die brüchige Idylle hereinbricht. Das Mysterium wird gekonnt aufgebaut: Die halbvermummte Gestalt ist erstmal nur vom Weiten zu sehen und bleibt stumm – was bekanntermaßen besonders bedrohlich wirkt. Eriks Versuche, ihre Existenz außerhalb seiner Fantasie zu überprüfen, gestalten sich als schwieriger als gedacht (eine Szene köstlicher Verzweiflung, in der er zwei in der Nähe seiner Werkstatt spielende Jungen befragt). Also Henry und der andere (sichtbare) Fremde dann schließlich doch verbal aktiv werden, bleiben ihre Äußerungen vage und beziehen sich auf dem Zuschauer unbekannte Vorkommnisse und Personen aus der Vergangenheit. Insofern wird den Zuschauern direkt Eriks Situation nahegebracht, denn auch er kann sich keinen Reim darauf machen.
Schwieriger gestaltet sich das natürlich auf der nicht-kognitiven Ebene: Eriks steigende Verzweiflung, sein massiver geistiger Verfall sind zwar abgesichts der Geschehnisse nachvollziehbar, aber sie werden gleichzeitig kaum mitfühlbar gemacht. Zu schnell geschehen die Dinge – und insbesondere wird teilweise sogar auf Dinge Bezug genommen, die vor Beginn der filmischen Erzählung bereits auf Eriks Gemüt gedrückt haben sollen (seine Alpträume).
Trotzdem bleibt Stereo soweit sehr sehenswert, da Stimmung und Konstruktion stimmen. Insbesondere letztere zeichnet sich durch große Sorgfalt aus, was sich in zahlreichen kleinen Symbolen oder scheinbaren Nebensätzen in den Dialogen äußert, die erst im Rückblick ihre volle Bedeutung offenbaren.
Doch abseits solcherlei kleinerer Ungenauigkeiten ist es primär der Mut, die Alptraumlogik konsequent zu Ende zu führen, der dem Regisseur (und Autoren) fehlt. So wimmelt der letzte Akt von unnötigen, teilweise schon an den Geduldsfäden zerrenden Erklärungen. Wie so häufig in diesem Genre können jene Erklärungen jedoch nicht mit dem Ausmaß des aufgebauten Mysteriums mithalten: Zu gewöhnlich, zu weltlich und vor allem zu explizit sind letztlich die Auflösungen, wer nun wer ist, sowie die Gründe für das alles. Die vom großen Unbekannten (Georg Friedrich) angezettelte Verschwörung ist dann plötzlich gar keine. Und auch Henrys Identität ist letztlich eher gewöhnlich.
So ist Stereo für deutsche Verhältnisse zwar vielleicht wirklich ein mutiges Experiment, das zu unterhalten weiß. Vom Niveau eines Lost Highway oder auf den ersten Blick ähnlich gelagerter literarischer Vorbilder (Philip K. Dick) ist man jedoch noch meilenweit entfernt. Andere nette Popcornfilme wie Donnie Darko sind dagegen immerhin eingeholt.
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