Hannes schreibt:
In den 70er Jahren hatte Regisseur John Boorman erfolglos versucht, Tolkiens Herr der Ringe zu verfilmen. Die drei dicken Wälzer sollten in einen hundertminütigen Film gepresst werden. Ein Finanzier fand sich schließlich später für Excalibur, ein umfangstechnisch ähnlich ambitioniertes Projekt. Wobei es bezüglich der Vorlage einen entscheidenden Vorteil gab: Für die Legende König Artus' gibt es nicht die eine kanonische Quelle, bezüglich derer jede winzige Abweichung von den Fans kleinkariert kritisiert würde.Dies führt zu einigen Zeitsprüngen in der Erzählung, um direkt zur nächsten entscheidenden Episode zu springen: Nach der Täuschung der verheirateten Lady Igrayne (Katrine Boorman), die zu Artus' Geburt, aber auch zum Scheitern von Merlins und Uthers Plan führt, geht es direkt damit weiter, dass Artus als junger Mann Excalibur aus einem Stein zieht, dadurch der Legende nach Anspruch auf den Thron hätte und – als Nichtangehöriger des Ritterstandes – erstmal einen kleinen Bürgerkrieg auslöst. Anders als sein Vater Uther zeigt sich Artus jedoch als geschickter Verhandler und Menschenkenner, so dass er tatsächlich zum unbestrittenen König Britanniens wird.
Seine Halbschwester Morgana (Barbara Byrne), die von Merlin einiges gelernt hat, will derweil Rache für den Betrug an ihren Eltern. Sie schaltet Merlin aus, benutzt die gleiche Magie, die er seinerzeit für Uthers Nacht mit Artus' und Morganas Mutter eingesetzt hat, um einen Sohn mit Artus zu zeugen. Der heranwachsende Mordred (Charley Boorman) und die scheinbar ewig jungbleibende Morgana ziehen immer mehr Ritter, die Artus auf die Suche nach dem heiligen Gral geschickt hat, auf ihre Seite oder ermorden sie hinterhältig.
Viele der erzählerischen Bruchstellen muss man sich als Zuschauer jedoch leider selbst zusammenreimen. Ein Gefühl für die vergehende Zeit bekommt man nur sehr eingeschränkt vermittelt; die Ritter in ihren Rüstungen (wie üblich Ausstattungen des Spätmittelalters in einer Geschichte, die sich selbst explizit im Frühmittelalter ansiedelt) sind häufig eh nicht auseinanderzuhalten und wenn man mal eines der bärtigen Gesichter sieht, dann scheinen die meisten Figuren sehr lange alterslos zu bleiben. Immerhin Hauptfigur Artus wird immer wieder umgestylt, doch dient das weniger der fortschreitenden Zeit, als als Spiegel der Entwicklung des Landes.
Ähnliche deutungstechnische Parallelen ergeben sich auch auf mehreren anderen Ebenen. Parzival muss sich, um nachher zu überleben und um den Gral zu finden seiner schweren Rüstung entledigen. Übertragene Bedeutung: Das Zeitalter der Ritter in ihren glänzenden Rüstungen geht zu Ende – was sich dann in der blutigen letzten Schlacht bestätigt (ahistorischer geht es natürlich nicht, aber nicht so wichtig). Ebenso zieht sich Merlin zwischenzeitlich aus dem höfischen Leben zurück, denn auch das Zeitalter seiner Religion und Philosophie neigt sich dem Ende zu. Seine Macht (von der explizit nur wenig zu sehen ist, die aber implizit diverse entscheidende Weichen stellt) wird darüber hinaus zweimal von den Königen eingefordert (und damit missbraucht) und beide Male hat dies mittel- und langfristig negative Auswirkungen: Auf Uthers Begehren für Igrayne und Artus' Bitte, das Leben des im Duell verwundeten Lancelot zu retten folgt jeweils ein tiefer Fall; im Fall Uthers sein baldiger Tod und das neuerliche Auseinanderbrechen des Landes, im Fall Artus' und Lancelots das Ende der Tafelrunde, denn Artus' „koste es, was es wolle“ wird vom Schicksal (oder was auch immer) so interpretiert, dass er seine Frau endgültig verliert.
Überhaupt verliert sich Boorman insbesondere im letzten Drittel sehr in der (ihm wahrscheinlich primär wichtigen) symbolischen Ebene. Schön-schaurige Optik gibt es gerade hier ausreichend, aber von den Aktivitäten Mordreds und Morganas erfährt man eigentlich nichts. Zahlreiche Momente fieser Intrigen oder auch epischen Schlachtengetümmels werden da verschenkt; stattdessen soll sich alles in der epischen finalen Schlacht entladen. Doch auch die wäre emotional wirkungsvoller, wenn die Kontrahenten (bis auf Artus, Mordred, Parzival und den überraschend dazustoßenden Lancelot) nicht dermaßen gesichtslos blieben. Was ist denn aus den übrigen Rittern der Tafelrunde geworden? Einige sind bereits tot, in Ordnung, aber sind vielleicht welche „zum Feind übergelaufen“? Wer sind die verbliebenen Ritter, die Artus treu geblieben sind? Wüsste man das, würde ihr Schicksal vielleicht auch interessieren oder sogar berühren, wenn sie blutigst niedergemetzelt werden.
Kleine Randnotiz: Gleich zwei seiner Kinder bringt Boorman in kurzen, aber vergleichsweise zentralen Rollen unter. Seiner Tochter mutet er dabei die vielleicht peinlichste Sexszene der Filmgeschichte (sie nackt, der Partner in voller Rüstung) zu. Bizarr.
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