Hannes schreibt:
Die erste Konnotation mit dem Titel ist natürlich Der dritte Mann, doch was soll uns diese Verbindung wohl sagen? Mit dem Klassiker hat Paul Verhoevens Der vierte Mann herzlich wenig gemeinsam – schon befindet man sich als Zuschauer auf dem Glatteis.Scheinbar verführerische Aussichten – Gerard versucht sich nicht anmerken zu lassen, dass es für ihn eher Arbeit bedeutet
Schnipp!
Verhoeven inszeniert die eigentlich recht einfache Geschichte als symbolisch fast schon überfrachtetes Psychodrama: In jedem Bild erspäht man bedeutungsvolle Kleinigkeiten in der Form von Gegenständen, Schriftzügen oder Gesichtern mindestens im Hintergrund. Ob es nun die Charakterisierung Christines als „schwarze Witwe“ durch den defekten Schriftzug ihres Geschäftes, der „Spin“ (Spinne) statt „Sphinx“ zeigt, die immer wieder auftauchenden Leichwagen und Särge mit vieldeutig verknickten Schleifen sind oder die immer wiederkehrenden rein optischen Reize sind: Hier geht offensichtlich mehr vor sich, als explizit gezeigt wird.
Eine ganz besondere Rolle spielt dabei der tiefe Katholizismus der Figur Gerards. Seine Ängste zeigen sich ebenso wie seine Hoffnungen in biblischen Formen. Erstere insbesondere verkörpert durch das Kastrationsmotiv des Haareschneidens (Samson und Delila), letztere durch eine – immer wieder in anderen Rollen, aber durch ihre blaue Kleidung wiedererkennbare – immer wieder auftauchende mysteriöse Frauengestalt.
Noch ein Hochzeitsvideo?
Drei Urnen im Vordergrund – wer wird der vierte Mann?
Dazu ist positiv zu vermerken, dass die Inszenierung desjenigen Expliziten, das stattdessen gezeigt wird, ebenfalls mit sicherer Hand gelungen ist. Auch im Handeln Gerards selbst gilt das, was er später Christine unterstellt: Nichts ist, wie es scheint. Dass dein „Plan“, sie Herman einladen zu lassen, um den durchtrainierten Jüngling, den er nur vom Foto kennt, kennenzulernen, für sie völlig durchschaubar ist, müsste ihm klar sein, doch beide erhalten den Schein aufrecht. Interessant auch die Szene, in der Herman dann tatsächlich die Handlung betritt: Gerard wird aus Christines Schlafzimmer ausquartiert, dorthin zieht sie sich nun in eindeutiger Intention mit Herman zurück, während ersterem nur der Blick durchs Schlüsselloch bleibt. Inszeniert also wie die klassische Demütigungsszene, in der der alte Liebhaber durch einen jüngeren ersetzt wird, jedoch durch völlig anderem interpretatorischen Hintergrund gebrochen.
Allen in Allem heißt das also: Ungewöhnliche werden mit gewöhnlichen, aber umgedeuteten Szenen in einer Weise gemischt, die man einfach bewundern muss, denn sie zeigt sowohl Wissen um Konventionen, als auch Können, diese zu seinen ganz eigenen Zwecken einzusetzen. Und genau so entstehen ganz eigene, kraftvolle Visionen.
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