Hannes schreibt:
„Einen schönen Hals hat Eure Frau…“
Die meistzitierte Szene des Vampirgenres
Was zeichnet Nosferatu nun im Besonderen aus? Tatsächlich handelt es sich um einen aus heutiger Sicht recht modernen Film. Die angewendete Schnitttechnik geht mit ihren Nahaufnahmen, Schnitt-Gegenschnitt-Einstellungen und Schwenks weit über die zu der Zeit immer noch weit verbreiteten statischen Szenenbilder hinaus. Die meisten Darsteller vermeiden allzu große Theatralik (mit einzelnen Ausnahmen, wie beispielsweise dem schrecklichen Knock-Darsteller) und agieren stattdessen relativ realistisch. Selbst die völlige Verfremdung durch sichtbar künstliche Kulissen, wie sie in anderen Filmen des Expressionismus Gang und Gäbe war, findet (mit voller Absicht) nicht statt.
„Das Todesschiff hatte seinen neuen Kapitän.“
Nosferatu bezieht sein „schönes, ödes Haus“
Überhaupt ist es die Darstellung des Vampirs und seine Szenen, die sich im Gedächtnis festsetzen. Sein Verhalten beim Abendessen mit Hutter (Gustav von Wangenheim), der von dem seltsamen Aussehen seines Gastgebers natürlich befremdet ist, sich aber professionell zurückhält; sein Eindringen in das Zimmer des Gastes; sein starres Gesicht, als Hutter ihn in seinem Sarg überrascht; sein „Aufstehen“ aus dem Sarg an Bord des Schiffes; sein starres Schreiten an Deck; erwähnte Szene auf der Treppe. Seitdem tausendfach imitiert insbesondere seine Art der Fortbewegung: In beinahe quälender Langsamkeit schreitet Nosferatu voran, durch seinen langen dunklen Mantel beinahe gleitend – was ihn, wie man heute aus Erfahrung weiß, nur noch bedrohlicher wirken lässt.
Mit ihm kommt die Pest nach Wisborg
Das von der unrechtmäßig verwendeten Vorlage geänderte Ende ist deshalb insofern interessant, dass es hier nicht die „aufrechten Männer“ sind, die der Bedrohung ein Ende machen und die Ordnung wiederherstellen, sondern das persönliche Opfer einer Frau. Was man jetzt ebenfalls gepflegt diskutieren könnte, doch das sei anderen vorbehalten.
Es sei bei der Feststellung belassen, dass Nosferatu trotz seines Inhalts wohl eines der am wenigsten furchteinflößenden Werke (im Bezug auf Machart, nicht Inhalt) der Stummfilmzeit für unbedarfte Zuschauer ist. Was einfach an erwähnter stilistischer Modernität liegt: Man befindet sich hier bereits sehr nah an modernen Sehgewohnheiten. Nur, dass all das damals eben äußerst revolutionär war. Dass es sich heute zum Standard entwickelt hat, zeigt, dass man den Einfluss Nosferatus gar nicht hoch genug bewerten kann. Und das, ohne dass er dadurch, wie so viele in ihrer Zeit bahnbrechende Filme, zum reinen Museumsstück für Historiker ohne aktuellen Unterhaltungswert wurde!
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